Lexikon

Aus: Rock in Deutschland auf CD-ROM

Atlantis

Atlantis (der Name stammt von der durch Plato beschriebenen versunkenen Insel im Atlantischen Ozean) wurde im Spätsommer 1972 von den ehemaligen Frumpy-Mitgliedern Inga Rumpf, Jean-Jacques Kravetz und Karl-Heinz Schott (10.6.48) ins Leben gerufen. Zur ersten Formation gehörten noch der Gitarrist Frank Diez und der Schlagzeuger Curt Cress, der vordem bei Emergency trommelte.

Nach einigen Gastspielen in Deutschland nahm Atlantis in den Londoner Island-Studios das erste Album auf. Das US-Fachblatt CASH BOX verglich die Band mit den Doobie Brothers und lobte Inga Rumpfs "gequälte Blues-Stimme". Da sich kurz vor der Englandtournee (Februar/ März 1973) Curt Cress und Frank Diez absetzten, wurden kurzfristig Udo Lindenberg und George Meier integriert. Nach dem vierwöchigen Inselbesuch, bei dem Atlantis zusammen mit Procol Harum, Traffic, Vinegar Joe und den Sharks auftraten, verließen die Aushilfskräfte Lindenberg und Meier wieder die Band, an ihrer Stelle spielten fortan Dieter Bornschlegel (Gitarre) und Ringo Funk (Schlagzeug). Dieter Bornschlegel spielte vorher bei Traumtorte, Ringo Funk bei Jeronimo.

Zweifellos gingen aber auch in dieser Formation - wie in den vorhergegangenen - die entscheidenden Impulse von Jean-Jacques Kravetz und Inga Rumpf aus, von deren Kompositionen die Band lebte. Kravetz: "Inga prägt unsere Band wie etwa Rod Steward die Faces, und ihre Stimme macht unser Image." Das zweite Atlantis-Album "It's Getting Better" wurde noch offensichtlicher durch Inga Rumpfs Vorliebe für schwarze Rhythmen geprägt: "Mein Interesse galt immer der schwarzen Blues-. Jazz- und Soul-Musik. Und da ich die meisten Stücke schreibe, hat das natürlich auch den Ausschlag gegeben." Die Rezensenten lobten durchweg das "empfehlenswerte Werk" (MELODY MAKER) und bescheinigten Atlantis, "die 'englischste' der deutschen Gruppen" (SOUNDS) zu sein, gaben aber zu bedenken, daß ihr "erfreuliches Album nichts enthält, was nicht schon viele Male vor ihnen gespielt worden ist" (NEW MUSICAL EXPRESS). Nach einem Auftritt im Pariser "Olympia" (1.10.) brachen Atlantis zu einer weiteren vierwöchigen England-Tournee auf, während der sie auch in der Rock-Show "Old Grey Whistle Test" gastierten. Dabei mußte kurzfristig der Keyboard-Spieler Jean-Jacques Kravetz (der sich ein halbes Jahr später Randy Pie anschloß) durch Rainer Schnelle ersetzt werden. Schnelle (21.12.51) agierte zuvor bei Family Tree. Auch am Jahresende '73 gehörte Atlantis zu den drei beliebtesten deutschen Gruppen (Poll MUSIKMARKT). Im Juni 1974 wurde dann eine weitere Umbesetzung vollzogen. Rainer Schnelle machte dem Engländer Adrian Askew Platz, und Dieter Bornschlegel gab die Lead-Gitarre an den Ex-Curly Curve-Mann Alex Conti weiter. Die beiden Neulinge waren dann auch auf dem im Herbst erschienenen, dritten Album "Ooh Baby" zu hören.

Immerhin trugen sieben der zehn Songs die Handschrift von Conti und Askew. den Rest schrieb Inga Rumpf. Das Ergebnis war -dem seinerzeitigen Trend entsprechend- ein "gepfeffertes Funky-Album" (MUSIK EXPRESS) mit "einer Portion besten deutschen Souls" (SOUNDS). Wann Atlantis am besten war, demonstrierte ihre Plattenfirma mit einem Doppelalbum, das aus Live-Aufnahmen der Jahre 1973-1975 zusammengestellt wurde. Die in der Hamburger "Fabrik" mitgeschnittenen Titel strotzten vor Spielfreude, Spontaneität und musikalischer Kraft. Euphorisch schrieb POP (deren Leser in der 'Hammer-Wahl' Inga Rumpf kurz zuvor zur besten deutschen Sängerin gewählt hatten) von einem "Weltklasse"-Album.

Im Sommer 1975 brachen Inga Rumpf, Alex Conti, Karl-Heinz Schott, Adrian Askew und Ringo Funk zu einer Amerikatournee auf. Dort stellten sie fest (zumeist als Vorgruppe von Lynyrd Skynyrd), daß "wir rockiger werden müssen. Die Zuhörer wollen mehr Action auf der Bühne haben." Wieder im Lande wurde der Gitarrist Axel Conti gefeuert. Conti hatte danach entscheidenden Anteil am Erfolg von Lake. Das letzte Atlantis-Album "Get On Board" spielten neben Rumpf, Schott und Funk die neuen Gitarristen Frank Diez (der schon zur Atlantis-Formation gehörte) und Rainer Marz ein. Weder "Get On The Board" - auf dem deutlich die USA-Eindrücke herauszuhören sind - noch die Herbst-Deutschland-Tournee brachten kommerziellen Erfolg. So wundert es nicht, daß der Band, in der jeder einzelne ohnehin bestens als Studio- oder Gastmusiker beschäftigt war, der nötige Anreiz für weitere Investitionen in das Unternehmen Atlantis fehlte. Im Januar 1976 teilte Inga Rumpf Frank Diez telefonisch mit, daß sie mit Karl-Heinz Schott aussteige. Damit existierte eine der besten deutschen Bands, zumindest aber "die wohl bekannteste Rockgruppe Deutschlands" (NEUE REVUE) nicht mehr. Das nachträglich veröffentlichte Album "Top Of The Bill" enthält Studioaufnahmen von Dezember 1975 und März 1976.

Auf Initiative einer Musikalienfirma kam es am 23.2.1983 in der Hamburger "Fabrik" zu einem einmaligen Revival-Konzert. Atlantis trat in der Ur-Besetzung auf (Inga Rumpf, Frank Diez, Jean-Jacques Kravetz, Karl-Heinz Schott, Curt Cress) und wurde von einem vollen Haus frenetisch gefeiert.


IT'S GETTING BETTER! (1973) Venus V 79 ATB 1008
ATLANTIS (1973)
OOH BABY (1974)
GET ON BOARD (1975)
ATLANTIS LIVE (1975) Venus V 79 AT 1010
TOP OF THE BILL (1978) Venus V 78 ATF 1002
Sampler:
GREATEST HITS, Vol 2 Venus B 80029
GREATEST HITS, Vol 1 Venus B 80024
BEST OF ATLANTIS Fontana 643 4298

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