Lexikon

Aus: Rock in Deutschland auf CD-ROM

Hans-a-plast

Bettina Schröder Schlagzeug, Gesang (16.9.1961), Klaus-Michael Polten Gitarre (21.5.1960), Annette Benjamin-Haddrell Gesang (23.1.1960), Jens Meyer Gitarre (2.8.1962), Renate Baumgart Bass (3.4.1945)

1978 kam es zum Hans-a-plast Live-Debüt auf dem ersten No Fun-Festival im Jugendzentrum Badenstedt vor circa 200 Zuschauern. Meyer: "Wir wollten Rockmusik machen, für die man sich eben nicht vorher zehn Jahre lang klammheimlich im Übungsraum Fingerfertigkeiten antrainieren muß - das typische Motiv für alle Punkkapellen der damaligen Zeit." Zunächst als Quartett mit Bettina Schröder, Michael Polten, Jens Meyer und Renate Baumgart, gewannen Hans-a-plast im Winter 1978 die Sängerin Annette Benjamin, in der die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG später "neben Peter Hein (Fehlfarben, Family 5) die beeindruckendste Bühnenpersönlichkeit der neu-deutschen Welle" erkannte. Annette kam von Slime, einer Braunschweiger Pogo-Band, "so richtig zum Fürchten. Dagegen erschien Hans-a-plast wie eine Studentencombo," ironisierte Annette Benjamin.

Als Quintett folgten Auftritte auf den drei richtungsweisenden nationalen Punk-Festivals. "Into The Future" hieß das erste in der Hamburger Markthalle im Januar 1979, "In die Zukunft" das zweite an gleicher Stelle im Juni des Jahres und im September stand in Berlin das "Antifa"-Festival auf dem Programm. In eigener Regie organisierten die Bandmitglieder außerdem ein Festival ("Die Zukunft hat keinen Namen"). Im September entstand dann auch die legendäre erste Hans-a-plast-LP (ohne Titel) mit dem Ratten-Cover. Meyer: "Wir hatten uns damals das Geld geliehen, waren vier Tage im Studio - es war alles unheimlich billig. Wir mußten 1.000 Stück verkaufen, um die Kosten zu decken." Innerhalb kürzester Zeit waren bereits 10.000 Exemplare der zunächst mit dem Lava-Label ("Lava borgte Hans-a-plast die Etiketten" Hollow Skai) veröffentlichten LP abgesetzt. Die deutsche Plattenindustrie wurde hellhörig, doch nach unbefriedigenden Vertragsverhandlungen entschlossen sich im März 1980 die Hans-a-plast-Musiker Meyer und Polten, gemeinsam mit Hollow Skai ihr eigenes Label, No Fun, zu gründen. Das Motto war ausgegeben: "Wenn wir's selber machen können, warum sollen wir's dann nicht tatsächlich selber machen?"

Die im Oktober 1979 veröffentlichte Langspielplatte wurde zu einer der wichtigsten LPs der deutschen Rockgeschichte. "Hans-a-plast macht Rockmusik mit konventioneller Besetzung: Schlagzeug, Bass, zwei Gitarren, Gesang. Kein Punk für Mode-Punks am Freitagabend, keine in Hippie-Nostalgie erstarrten Politsongs. Jedes der zehn Stücke hat eine inhaltliche, textliche Aussage, die von der Musik interpretiert, verstärkt wird. Hans-a-plast ist eine der wichtigsten deutschen Bands", schrieb SOUNDS. Im MUSIK EXPRESS konnte man nachlesen: "Definitionsversuche, etwa Punk, New Wave, Neue Welle oder Wellenreiter erscheinen müßig. Hans-a-plast bieten ihrerseits auf ihrem A 5 Programm- und Textheft zur LP ironisch die 'Neue Welle zur Frikadelle' an. Für die fünf Hannoveraner ist die direkte, ungekünstelte, schnelle und harte Spielwiese die adäquate Ausdrucksform für ihre bösen, bissigen, ironischen und sarkastischen Texte. Der 'Rock'n'Roll-Freitag' ist die Realität des Saturday Night Fevers, der 'Lederhosentyp' die Umkehrung (?) männlichen Chauvinismus', 'Rank Xerox' ein politisches Statement zu BKA, Fahndung und Datenschutz, der 'Starfighter' eine Absturzbestandsaufnahme."

Hans-a-plast wurde dann 1980 von den SOUNDS-Lesern zur "Newcomer-Band des Jahres '79" gekürt, die Redakteure des Blattes wählten das erste Album für "Rowohlts bunte Liste" unter die 15 international (!) wichtigsten Produktionen der 70er Jahre.

1980 folgten eine Unmenge von Auftritten für Hans-a-plast, u.a. beim 2. No Fun-Festival und dem "Rock gegen rechts" Open Air im Sommer in Frankfurt. Der "Rockpalast" (WDR) zeichnete ein Konzert fürs Fernsehen auf. Im November ging die Band erneut ins Studio, um das zweite Album (wiederum ohne Titel) einzuspielen. "Hans-a-plast" erschien im Dezember. Für SOUNDS "ein schwieriges, abwechslungsreiches Album, mit dem auseinanderzusetzen sich lohnt. Viele der Texte enthalten Tiefen und Anspielungen, die sich erst bei häufigerem Gebrauch auftun". Und weiter: "Statt Polit-Romanitik und Rock'n'Roll-Straßenstaub, ein ausgeklügeltes, ausgefeiltes Studioalbum".

1981 tourte die Band erneut durch Deutschland, war zu Gast im Bayerischen (!) Fernsehen und bei den 1. Münchner Rocktagen. Zwischen dem 5. und 20. Juni waren Hans-a-plast Headliner auf der Jubel '81-Tournee des No Fun-Labels (mit dabei auch Der Moderne Man). Das Tour-Finale in Hannovers "Rotation" wurde das vorerst letzte Konzert der Formation. Mit dem konsequenten Rückzug aus dem Konzertgeschehen begegnete man dem Trubel, der längst allerorts um Hans-a-plast gemacht wurde. Im August erschien noch die Single "Sex Sex Sex" / "Lemminger Punks", danach begann die Kreativpause.

Erst im Sommer 1982 bereitete Hans-a-plast das Material für das dritte Album vor, das dann im Herbst im Horus-Sound-Studio mit Co-Produzent Jan Nemec eingespielt wurde. Bis dahin waren auf alternativen Vertriebswegen rund 120.000 Einheiten der ersten beiden Tonträger verkauft worden. Der australische Radiosender 3PBS-FM entdeckte Hans-a-plast für seine Zuhörer und spielte eine ganze Seite der zweiten LP.

Ende Februar 1983 kam "Ausradiert" auf den Markt. "Mit der dritten LP verhält es sich wie mit einer stehengebliebenen Uhr: Zweimal am Tag zeigt sie die richtige Zeit an. Hans-a-plast läuft daher der Mode nicht hinterher - denn diese wird Hans-a-plast schon einholen", betrieb die Gruppe nicht allzu ernsthaft Standortbestimmung in ihrem Infotext. Den Verdacht, die Band habe sich bewußt und kalkuliert durch die verzögerte Veröffentlichung aus der Vermarktung im Rahmen der neuen Deutschen Welle heraushalten wollen, wiesen sie von sich. Für sie waren lediglich persönliche Gründe entscheidend für diese Terminplanungen. Über "Ausradiert", für die Musiker selbst ihr bis dato subjektivstes Album, schrieb z. B. der MUSIK EXPRESS: "Knapp zwei Jahre privatisierten Hap. Auf 'Ausradiert' sind sie trotzdem so politisch wie eh und je. Adenauers 'Keine Experimente'-Programmatik (im Vorspann der Platte im O-Ton zu hören) hat mehr mit Hap gemein, als ihnen gefallen dürfte. Denn die Themen der neuen Songs sind dieselben wie die der altbekannten: Politik und Sex, Zukunftsparanoia und Geschlechterkampf". Die MUSIK SZENE druckte: "Da gibt's auch weiterhin keine Flirts mit der Industrie noch mit Modischem. Da trübt kein Sequenzer, kein Synthesizer, den gitarrenorientierten Beat der Band. Da bleiben Salsa-, Reggae-, Latino-Adaptionen vor der Tür. Da singt Annette noch immer mit dem ihr eigenen Charme. Hans-a-plast gehen ihren Weg konsequent weiter und verbreiten ihre Befreiungssongs gegen Kirche, Staat, Institutionen, Helden, Erzieher, Verführer. Politisch brisant, anti-sexistisch, aber keineswegs a-sexuell - eine Musik gegen Chauvinismus jeder Coleur".

Im März gingen die Hans-a-plast-Musiker auf Promotion-Tour, besuchten alle maßgeblichen Funk- und Printmedienredakteure. Und zwischen 15.4. und 23.5. stand nach fast zweijähriger Konzertpause die erste Tournee mit dem neuen Material auf dem Programm. Das knappe Resümee: viel zu wenig Besucher (im Schnitt nur 300-400 pro Konzert) sahen eine spielfreudige, energische, sehr lockere aber durchdachte Show. Trotz Problemen mit dem Vertriebspartner waren bis Herbst 1983 gut 10.000 Exemplare von "Ausradiert" verkauft worden.


HANS-A-PLAST (1979) No Fun NF 002
HANS-A-PLAST (1980) No Fun NF 007
AUSRADIERT (1983) No Fun NF 020

Aus: Rock in Deutschland auf CD-ROM